Tim Lutz
6. Juni 2023

Smart Factory

Die Smart Factory gehört zur Zukunftsvision der Industrie 4.0, in der alle Bestandteile von Fertigungs- und Produktionsprozessen im Zuge der Digitalisierung miteinander kommunizieren und so die Produktion erleichtern und optimieren. In diesem Beitrag erklären wir Ihnen, wie diese Fabrik der Zukunft funktioniert und welche Tools SAP bereitstellt, um die Vorteile einer intelligenten Fertigung (Smart Manufacturing) zu nutzen. 

Was ist eine Smart Factory?

Eine Smart Factory (übersetzt: intelligente Fabrik) ist eine Fertigungseinrichtung, in der sich cyber-physische Produktionsanlagen und Logistiksysteme weitgehend selbst, ohne menschliche Eingriffe, organisieren. Dynamische vernetzte Geschäfts- und Produktionsprozesse ermöglichen die rentable Herstellung von Produkten bis hin zu individuellen Einzelanfertigungen.

Unser Whitepaper zum Thema Industrie 4.0 und SAP

Industrie 4.0 und SAP: Herausforderungen und Lösungsansätze

In diesem Whitepaper zeigen wir Ihnen die größten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Industrie 4.0 und welche Lösungsansätze SAP hierfür bietet.

Merkmale und Komponenten einer Smart Factory

In einer Smart Factory erhalten Maschinen, Werkzeuge, Betriebsmittel, Produkte und Lagersysteme eine digitale Repräsentation, einen sog. digitalen Zwilling oder Digital Twin. Der Zustand aller Komponenten kann jederzeit über die digitalen Zwillings-Repräsentationen in Echtzeit eingesehen werden. Es entstehen sog. cyber-physische Systeme (CPS – Cyber Physical Systems) aus mechanischen und elektronischen Komponenten, die drahtlos miteinander vernetzt sind und im “Internet der Dinge” bzw. im Industrial Internet of Things kommunizieren.

Diese Kommunikation wird durch eingebaute Chips in Werkstücken und Produktionsanlagen gewährleistet, die für den Datenaustausch mit dem Internet verbunden sind. Zu verarbeitende Werkstücke werden zu Smart Products, indem diese während des Fertigungsprozesses Daten zum eigenen Herstellungsprozess z. B. auf einem RFID-Chip speichern. Mit diesen Daten wird der Weg der Smart Products durch die Anlage und einzelnen Fertigungsschritte gesteuert.

Durch die Masse an Daten lernen die Produktionssysteme als künstliche Intelligenz eigenständig Entscheidungen zu treffen, auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren und komplexe Aufgaben zu lösen. Daten werden in diesem Szenario mehr denn je zum Wirtschaftsgut und Wettbewerbsvorteil.

Ziel ist es, die gesammelten Daten bzw. Erkenntnisse so einzusetzen, dass vor allem die auf Kunden maßgeschneiderte individuelle Produktion von Einzelstücken wirtschaftlich effizient und rentabel, aber auch Mass Customization, sprich eine kundenindividuelle Massenproduktion, möglich wird.

Vorteile einer Smart Factory

Nicht umsonst wird die Smart Factory auch als Fabrik der Zukunft bezeichnet. Der digitale Wandel hat und wird weiterhin großen Einfluss auf die Industrie und allgemein auf die Gesellschaft haben. Das Modell der Smart Factory ermöglicht es Unternehmen, dem Wandel Stand zu halten und die neuen Bedürfnisse der Kundschaft nach Individualität, Flexibilität und Schnelligkeit umzusetzen. Vorteile sind unter anderem:

  • schlanke und optimierte Prozesse mit kürzeren Produktionszeiten und geringeren Kosten, welche zur Steigerung der Produktivität führen.
  • kundenorientierte, individuelle Produktion von Einzelstücken bis zur Losgröße 1 zu Kosten von Massenproduktionen.
  • automatisierte und effiziente Bestellprozesse und Lieferketten.
  • schnelle und agile Anpassung an Marktanforderung.

Voraussetzungen für Unternehmen

Die Vernetzung von Maschinen und Werkstücken und das Internet of Things sind Grundvoraussetzungen für die Etablierung einer intelligenten Fabrik. Für den Datenaustausch zwischen Hardware und Software und somit für den Aufbau der Smart Factory werden drahtlose Schnittstellen aus den Bereichen der Sensor-, Prozessor- und Funktechnik benötigt. Die gesammelten Daten werden Online erfasst und mithilfe von Cloud-Computing-Systeme und Big-Data-Technologien gespeichert.

Weitere Computersoftware wird benötigt, um die Daten aus der Cloud abzurufen und analysieren zu können. Dabei bestimmt der Zweck der Daten die Art der Software. Es gibt verschiedene Softwarelösungen für Bereiche wie Kontrolle, Reparaturanweisungen oder Steuerung.

Smart Manufacturing mit SAP

SAP bietet Lösungen zur Digitalisierung, Vernetzung und intelligenten Automatisierung aller Prozessebenen eines produzierenden Unternehmens im Manufacturing Execution System (MES) an. Damit kann der Übergang hin zum Betriebsmodell einer Smart Factory vollzogen werden.

SAP Manufacturing Execution Suite

Die SAP Digital Manufacturing Suite dient der Steuerung und Überwachung des gesamten Fertigungsprozesses eines Unternehmens. Sie besteht aus folgenden Komponenten:

SAP Manufacturing Execution (SAP ME)

SAP ME integriert die produktionstechnischen Prozesse und das betriebswirtschaftliche System. Auf Basis von Echtzeitdaten, die über den gesamten Produktionsprozess erhoben werden, ermöglicht SAP ME umfassende Planung, Steuerung und Kontrolle der Produktion, von Auftragsfreigabe bis Fertigstellung. Alle relevanten Datenquellen und -empfänger wie Fertigungsleitsysteme, Terminals zur Maschinendatenerfassung sowie Betriebsdatenerfassung und sonstige Eingabegeräte werden ohne Medienbruch miteinander vernetzt. Statistische Prozesskontrolle und lückenlose Rückverfolgbarkeit erleichtern Verbesserungen der Produkt- und Prozessqualität.

Als On-Premise-Anwendung kann SAP ME eigenständig oder mit SAP ERP integriert laufen.

SAP Manufacturing Integration and Intelligence (SAP MII)

SAP MII stellt die Verbindung zwischen den Enterprise Resource Planning (ERP)- und den produktionsnahen Shop-Floor-Systemen her. Es macht dabei alle die Fertigung betreffenden Stamm- und Transaktionsdaten in Echtzeit transparent, wie Aufträge, Materialien, Stückzahlen, Maschinenstatus, Produktqualität und Kosten.

Beliebige Informationen der Prozesskette, wie Materialflussübersichten, Anlagenmonitoring, Overall Equipment Effectiveness (OEE)-Reports oder Kennzahlen (KPI), können mit SAP MII in Echtzeit visualisiert werden. Die Visualisierung unterstützt maßgeblich ein besseres Verständnis und schnellere Entscheidungen bzgl. der Fertigungsprozesse. Mit SAP Self Service Composition Environment (SAP SSCE), eine Komponente von SAP MII, können dazu ohne Programmierkenntnisse per Drag-and-Drop ad-hoc Dashboards mit den gewünschten Diagrammen erstellt werden.

SAP Overall Equipment Effectiveness Management (SAP OEE)

SAP OEE ist Bestandteil von SAP MII und dient dazu, die Werksperformance in Echtzeit oder rückblickend zu messen und auszuwerten. Aus den Datenquellen der Fertigungsanlagen werden Kennzahlen hinsichtlich Verfügbarkeit und Performance der Betriebsmittel sowie der Qualität der damit hergestellten Produkte erhoben. Dashboards zeigen die OEE-relevanten Produktionsdaten wie Ausfallkomponenten, Zeiten und Ursachen an.

SAP Plant Connectivity (SAP PCo)

SAP PCo übersetzt die technische Sprache des Shop-Floors in die betriebswirtschaftliche Sprache von SAP S4/HANA oder SAP ERP. Dazu nutzt es mit Web-Services-Technologie standardisierte Kommunikationsschnittstellen und zeichnet sich dadurch durch hohe Flexibilität und einfache Konfigurierbarkeit aus.

In einem Verbund mit SAP PCo kommunizieren Quell- und Zielsystem mittels Benachrichtigungen über eine Agenteninstanz. Das Quellsystem der Produktionsebene muss lediglich Open Platform Communications (OPC)-Spezifikationen wie die United Architecture (UA), Data Access (DA) und Alarms & Events (A&E) erfüllen oder Datenaustausch über die OLE DB-Schnittstelleunterstützen. Hierdurch lassen sich alle Standard-Datenbanken als Quellsysteme nutzen.

Zielsysteme können SAP ME, SAP MII oder andere SAP-Systeme wie die SAP Cloud Platform oder SAP Business Suites wie SAP ERP oder SAP Warehouse Management sein.

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SAP Digital Manufacturing Cloud

Die SAP Manufacturing Execution Suite als On-Premise-Lösung hat ein Äquivalent in der Cloud: die SAP Digital Manufacturing Cloud. Es besteht aus zwei Hauptkomponenten:

SAP Digital Manufacturing Insights (SAP DMI)

SAP DMI ist eine Cloud-basierte Lösung zur standortübergreifenden Verwaltung der Fertigungsperformance. Für Leistungsvergleiche innerhalb und zwischen Produktionswerken erhält man damit einheitliche Key Performance Indicators (KPIs). Werkübergreifend können Daten aus Fertigungsanwendungen harmonisiert werden. Standard-Produktions-KPIs sind vorkonfiguriert, neue KPIs erstellbar. Die unmittelbare Verfügbarkeit von Indikatoren erlaubt zeitnahe Reaktion auf lokale und globale Abweichungen. Mit Mustererkennung können Ursachen von Qualitätsmängeln analysiert und Vorschläge zur Verbesserung gegeben werden.

SAP Digital Manufacturing Execution (SAP DME)

SAP DME bietet Cloud-basierte Steuerung und Kontrolle des Shop-Floors. Top-to-Floor-Szenarien (die gesamte Prozesskettevom Auftrag bis zur Fertigstellung) können simuliert und realisiert werden, Auftrags- und Ressourcenmanagement sowie Betriebsdatenerfassung und Monitoring der Produktion inklusive.

SAP Asset Intelligence Suite

Die SAP Asset Intelligence Suite verschafft den jederzeitigen Überblick über alle Assets eines Unternehmens und verleiht ihnen künstliche Intelligenz. Die Assets finden sich als digitale Zwillinge im System wieder, die immer den Zustand ihrer physischen Gegenstücke repräsentieren.

SAP Predictive Maintenance & Service (SAP PdMS)

SAP Predictive Maintenance vereinfacht vorausschauende Wartung auf Basis von Sensordaten der Fertigungsanlagen. Es ermöglicht automatische Wartungs- und Service-Regelung durch intelligente Anomalieerkennung und -meldung. Mit Hilfe von maschinellem Lernen können Fehler frühzeitig vorhergesagt und die Anlagenverfügbarkeit erhöht werden. Diese Funktionen können in ERP-Lösungen wie SAP S/4HANA und Drittanbietersysteme integriert werden. Wartungspläne können so dynamisch nach aktuellen Sensordaten ausgerichtet werden. Dies führt zu einer besseren Ressourcennutzung und geringeren Ausfallzeiten.

SAP Asset Intelligence Network (SAP AIN)

Für eine durchgehende Automatisierung sind neben Kundendaten auch Daten von Zulieferern und externen Dienstleistern zu integrieren. Hierzu dient SAP Asset Intelligence Network. Mit dieser Komponente können Anlagenbetreiber, Hersteller und Dienstleister ihre Daten über die SAP Cloud Platform miteinander teilen. Anlagenbetreiber können so Kosten und Risiken optimieren, Dienstleister ihr Serviceangebot, und Hersteller gewinnen Erkenntnisse aus dem Betrieb ihrer Produkte.

Die Kollaboration sichert Optimierungs- und Lösungskompetenz und erhöht damit die Wettbewerbsfähigkeit. Dies ergibt eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Digital vernetzte Geschäftsökosysteme konkurrieren anstelle einzelner Unternehmen. Digitale Plattformen, auf denen Unternehmen einen eng verzahnten Verbund bilden, werden zu neuen wirtschaftlichen Machtzentren.

Die Industrie 4.0 spielt in der Logistik und Produktion eine immer größere Rolle. In diesem Webinar zeigen wir Ihnen daher anhand von Praxisbeispielen, wie KIs in diesem Umfeld eingesetzt werden.

Smart Factory – ein Ausblick in die Fabrik der Zukunft

Capgemini, die größte europäische Unternehmensberatung, schätzte 2019 das Wachstumspotenzial durch Smart Factories für die Weltwirtschaft in den nächsten fünf Jahren auf 500 Milliarden bis 1,5 Billionen US-Dollar.

Eine Herausforderung des Fortschritts besteht in der Skalierbarkeit, d.h. der Einbindung neuer Assets samt der von ihnen produzierten zunehmend großen Datenmengen. Bestehende Anlagen müssen mit Hardware für ihre Digitalisierung und Vernetzung ausgestattet werden. Mit zunehmender Vernetzung gibt es auch mehr potenzielle Angriffspunkte; dem Thema Sicherheit kommt also größere Bedeutung denn je zu.

Fazit

Die Smart Factory ist eine Vision der Industrie 4.0, bei der alle Komponenten der Fertigungs- und Produktionsprozesse miteinander kommunizieren, um die Produktion zu optimieren. Zudem organisieren sich in einer Smart Factory Produktionsanlagen und Logistiksysteme weitgehend selbst, ohne menschliche Eingriffe.

Daneben sind Merkmale einer Smart Factory die digitale Repräsentation von Maschinen und Produkten, die drahtlose Vernetzung der Komponenten im Internet der Dinge und die Nutzung von Daten zur Steuerung bzw. Verbesserung der Produktion. Voraussetzungen für Unternehmen dazu sind die Vernetzung von Maschinen und Werkstücken, das Internet of Things und drahtlose Schnittstellen.

Die Smart Factory ist die Fabrik der Zukunft und hat großes Potenzial für das Wachstum der Weltwirtschaft. Sie geht jedoch auch mit Herausforderungen, wie Skalierbarkeit und Sicherheit, einher.

FAQ

Was versteht man unter einer Smart Factory?

Eine Smart Factory ist eine Fertigungseinrichtung, in der Produktionsanlagen und Logistiksysteme weitgehend automatisch und ohne menschliche Eingriffe arbeiten. Durch die Vernetzung und den Einsatz von digitalen Zwillingen können Unternehmen eine rentable Herstellung von Produkten erreichen.

Warum Smart Factory?

Die Smart Factory ermöglicht schlanke und optimierte Prozesse, individuelle Produktion von Einzelstücken, automatisierte Bestellprozesse und schnelle Anpassungsfähigkeit. Dadurch steigert sie die Produktivität, senkt Kosten und erfüllt die Bedürfnisse der Kunden nach Flexibilität und Individualität.

Wenn Sie weitere Fragen zu Smart Factories haben, dann kommen Sie gerne auf uns zu.

Tim Lutz

Tim Lutz

Mein Name ist Tim Lutz und ich bin der Bereichsleiter IT für Produktion und Logistik. Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit Logistiklösungen im SAP Umfeld.

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