Tim Lutz
17. Mai 2023

Bullwhip-Effekt

Ob es nun Herausforderungen aufgrund von wetterbedingten Lieferengpässen oder eine zu hohe Nachfrage eines bestimmten Produkts ist. Damit die richtige Anzahl des benötigten Produkts ankommt, bestellen viele Unternehmen mehr als eigentlich gebraucht wird. Das problematische Phänomen, das dabei jedoch entstehen kann, ist der Bullwhip-Effekt. Was sich genau hinter dem Begriff aus dem Supply Chain Management verbirgt und wie Sie diesen umgehen können, erfahren Sie in diesem Artikel.

Was ist der Bullwhip-Effekt und wie entsteht er?

Der Bullwhip-Effekt (auch Peitscheneffekt genannt) beschreibt ein Phänomen, das durch Nachfrageschwankungen innerhalb einer mehrstufigen Lieferkette entsteht. Die Nachfrageschwankungen entstehen meist wegen Abstimmungs- bzw. Kommunikationsproblemen zwischen den Akteuren innerhalb einer Lieferkette.

Durch Zeitverzögerungen und eingeplante Sicherheitsbestände zwecks Vermeidung von Lieferengpässen wird der eigentliche Bedarf auf jeder Ebene weiter verzerrt und die Bestellmenge übersteigt die Nachfrage.

Wie die Grafik zeigt, „peitschen“ die Schwankungen mit zunehmendem Abstand immer höher die Lieferkette, vom Endkunden in Richtung Lieferanten, entlang. Dadurch werden viel zu viele Produkte hergestellt, die keine Abnehmer finden.

Wirkungsweise des Bullwhip-Effekts oder auch Peitscheneffekts in der Lieferkette vom Kunden über Einzel- und Großhändler sowie Hersteller hin zum Lieferanten.

Der Bullwhip-Effekt vergrößert sich je weiter vorn er sich in der Lieferkette befindet.

Folgen des Bullwhip-Effekts

Der Bullwhip-Effekt beginnt damit, dass das Nachfragesignal des Endkunden entweder falsch oder mit einer zu großen zeitlichen Verzögerung gedeutet wird. Es wird meist eine zu große Menge beim Großhändler bestellt, der wiederum ebenfalls eine größere Menge bestellt, um u. a. Lieferengpässe zu umgehen. Die großen Mengen können dann mit der zeitlichen Verzögerung dazu führen, dass die bestellte Menge den tatsächlichen Bedarf übersteigt.

Dadurch kommt es zu hohen Lagerbeständen, die Platz für vielleicht wichtigere Produkte einnehmen. Zudem müssen Unternehmen bei großen Lagerbeständen mit mehr Kosten rechnen. Die Produktionskapazitäten sind entweder unausgelastet oder sind auf Höchststufen ausgelastet. Die daraus resultierende Planungsunsicherheit löst eine Produktivitätssenkung aus.

Ein Beispiel für den Bullwhip-Effekt

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Ein Getränkehersteller hat für den Sommer eine neue Geschmackssorte mit Minze und Grapefruit herausgebracht. Die neue Sorte kam bei den Kunden gut an und es wurden ca. 2 Millionen des Getränks verkauft.

Da das Getränk so beliebt war, ist das Produkt in vereinzelten Geschäften ausverkauft. Damit das nicht mehr vorkommt, bestellen die Geschäfte etwa 2,5 Millionen Flaschen beim Großhändler. Der Großhändler wiederum bestellt beim Hersteller 3 Millionen Flaschen, um mögliche Lieferengpässe zu vermeiden. Und auch der Hersteller vermutet eine größere Nachfrage und erhöht die Anzahl der bestellten Getränke auf 3,5 Millionen.

Doch da es langsam kälter wird, tendieren Kunden zu anderen Geschmacks- oder Getränkesorten, die besser zur kälteren Jahreszeit passen. Daher ist die Nachfrage des Minze-Grapefruit-Getränks kleiner als die bestellte Menge. Jedoch wurden die Getränke bereits produziert und es gibt kaum Endkunden, die an dem Produkt interessiert sind.

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Ursachen des Bullwhip-Effekts

Die Ursachen des Bullwhip-Effekts sind recht unterschiedlich. Im Folgenden erläutere ich Ihnen vier der Ursachen:

Kommunikationsschwierigkeiten

Hier geht es um die Verarbeitung von Nachfragesignalen. Das größte Problem stellen die Kommunikationsprobleme zwischen den einzelnen Stufen dar. Beispielsweise wird die Nachfrage zu hoch eingeschätzt und dadurch übertrieben hohe Menge an Lieferanten weitergeleitet. Zusätzlich kommen fehlerhafte Informationen zustande, weil jeder Teilnehmer lediglich über lokale Daten verfügt und nur aktuelle Absatzzahlen an die nächste Stufe weiterleitet. Und da die Übermittlung der Daten nicht auf der jeder Stufe gleichzeitig stattfindet, ist auch der verzögerte Informationsaustausch eine Ursache des Bullwhip-Effekts.

Auftragsbündelung

Um von Mengenrabatten oder Staffelpreisen von Zulieferern zu profitieren, werden Aufträge gebündelt bestellt. Dadurch entstehen Intervalle, in denen entweder gar nicht oder eine große Menge bestellt wird. Diese Bestellschwankungen können zu falschen Prognosen in der Nachfrage führen.

Lieferkette wird nicht als Ganzes angesehen

Jeder Teilnehmer der Lieferkette versucht seine Position zu stärken und bestellt bzw. produziert eine größere Menge, als eigentlich gebraucht wird. Damit versuchen sie sich abzusichern. Was sie dabei vergessen: Die Lieferkette sollte als Ganzes angesehen werden, und nicht jede Einheit als einzelne Bestellung.

Befürchtung von Engpässen

Jede Stufe der Lieferkette versucht, ihre Bestellung zu optimieren und beachtet dabei unterschiedliche Aspekte wie Preisschwankungen, Lieferkosten oder Versorgungsengpässe durch untypisches Kaufverhalten der Verbraucher, wie beispielsweise Hamsterkäufe. Hier spricht man vom sogenannten Engpasspoker. Zudem möchten alle Teilnehmer der Lieferkette natürlich ihre Lieferfähigkeit sicherstellen und fürchten sich vor Lieferengpässen. Daher vergrößert jeder Akteur der Lieferkette seine Bestellung und generiert Sicherheitsbestände – so verstärkt sich der Effekt immer mehr, je tiefer man sich in der Lieferkette befindet.

Bullwhip-Effekt und Inflation

Schon geringfügige Nachfrageschwankungen bei den Endkunden können erhebliche Auswirkungen auf die Bestellmengen entlang der gesamten Lieferkette haben. Dabei potenziert sich der Bullwhip- oder Peitscheneffekt mit jeder zusätzlichen Zwischenstufe der Lieferkette. In Bezug auf die Inflation besteht eine direkte Verbindung: Bei einer Nachfrage, die das Angebot übersteigt, sinkt die Kaufkraft und die Preise steigen. Das führt zu einer Inflation. Ist jedoch die Nachfrage aufgrund des Bullwhip-Effekts niedriger als das Angebot, steigt die Kaufkraft. Dadurch sinken die Preise und es kommt zu einem Inflationsabbau.

Jede Änderung in einem Glied der Lieferkette kann sich auf den Rest auswirken. Je komplexer und tiefgreifender die Lieferkette ist, desto größer ist das Potenzial für einen Bullwhip-Effekt. Zusätzliche Faktoren wie produktionsbeschränkende Umweltbedingungen oder unerwartete Nachfragesteigerungen können das Problem weiter verschärfen und zu Inflation führen.

Lösungsmöglichkeiten für den Bullwhip-Effekt

Der Peitscheneffekt führt vor Augen, dass im Rahmen eines Risikomanagements die Koordination der Lieferkette notwendig ist. Zwar kann das Phänomen nicht komplett umgangen, jedoch mit folgenden Maßnahmen eingedämmt werden:

Informationstransparenz

Der wohl größte Punkt stellt die Informationstransparenz dar. Wenn die Plan- und Bestellzahlen des Einzelhändlers bspw. für alle Stufen der Lieferkette zur Verfügung gestellt wird, kann der Hersteller präziser planen.

Am vorigen Beispiel bekommt der Hersteller mit, dass bereits 2 Millionen Getränke verkauft wurden und der Einzelhandel 2,5 Millionen neue Getränke bestellen möchte. So kann der Hersteller die Produktion an die ursprüngliche Bestellung besser anpassen.

Preisgestaltungstransparenz

Ein weiterer Grund für schwankende Bestellungen sind schwankende Preise. Daher sollten Preisaktionen frühzeitig verkündet werden. So sind alle Teilnehmer der Lieferkette in der Lage, besser zu planen. Auch Mengenrabatte sind meist problematischer als es den Akteuren bewusst ist: Das bestellende Unternehmen tendiert meist dazu, mehr zu bestellen als eigentlich gebraucht wird.

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Bestellmenge verringern

Eine weitere Lösungsmöglichkeit wäre es die Bestellmenge zu verringern, aber dafür die Bestellfrequenz zu erhöhen. Dafür eignen sich insbesondere Mischpaletten: Auf einer Mischpalette werden verschiedene Produkte gesammelt und es wird nicht wie gewohnt pro Produktart eine Palette genutzt. So können Unternehmen schnell auf Bedarfsschwankungen reagieren.

Hamsterkäufe vermeiden

Aus Angst vor Lieferengpässen oder anderen Herausforderungen tendieren viele Unternehmen dazu, mehr Produkte zu bestellen. Sie sehen sich somit auf der sicheren Seite – falls mal mehr als erwartet verkauft wird, entsteht nicht das Problem von ausverkauften Regalen. Jedoch sollten Unternehmen hier beachten, dass sie Hamsterkäufe im Endeffekt doch mehr kosten werden. Grund dafür sind u. a. die hohen Lagerkosten.

Einfache Kommunikation mithilfe eines E-Procurement-Systems

Wie bereits erläutert, kann eine bessere Kommunikation zwischen den einzelnen Teilnehmern der Lieferkette dabei helfen, den Bullwhip-Effekt zu reduzieren. Für eine einfachere Kommunikation zwischen Lieferanten und Unternehmen kann ein E-Procurement-System genutzt werden.

E-Procurement beschreibt die elektronische Beschaffung eines Unternehmens. Mithilfe einer digitalen Lösung können Prozesse automatisiert und somit Zeit und Kosten eingespart werden. Des Weiteren unterstützt ein E-Procurement-System die Informationstransparenz, da die aktuellen Verkaufsdaten einfacher geteilt werden können.

Ansprechpartner Tim Lutz

Websession: Bullwhip-Effekt

Haben Sie Fragen zum Bullwhip-Effekt oder E-Procurement-Systemen? Dann vereinbaren Sie eine kostenlose Websession. Ich freue mich auf den Kontakt.

Fazit

Viele Unternehmen bestellen eine etwas größere als die tatsächlich gebrauchte Menge, damit sie Probleme wie Lieferengpässe umgehen. Das ist jedoch ist problematisch, da daraus der Bullwhip-Effekt entstehen kann und somit eine viel zu große Menge produziert wird, die keine Abnehmer findet.

Mit einer Reduzierung des Bullwhip-Effekts werden Kommunikations- bzw. Abstimmungsprobleme sowie der Planungsaufwand reduziert. Außerdem können Kapazitäten optimal genutzt werden und es werden auch bessere Produktverfügbarkeiten für den Kunden möglich. Mithilfe eines E-Procurement-Systems können Unternehmen mit ihren Lieferanten einfacher kommunizieren und Kosten sowie Zeit einsparen.

FAQ

Was ist der Bullwhip-Effekt?

Der Bullwhip-Effekt beschreibt das Phänomen, welches sich durch Abstimmungs- und Kommunikationsprobleme zwischen den Akteuren innerhalb einer Lieferkette und den daraus entstehenden Nachfrageschwankungen bildet.

Welche Folgen hat der Bullwhip-Effekt?

Durch die falsche Deutung des Nachfragesignals vom Endkunden werden meist zu große Mengen beim Großhändler bestellt, welcher wiederum das Gleiche tut, um Lieferengpässe zu vermeiden. Hohe Lagerbestände, Kosten und Planungsunsicherheit sind dann die Folgen.

Wodurch entsteht der Bullwhip-Effekt?

Die Hauptursache sind Kommunikationsprobleme bezüglich der Nachfrage. Wird diese zu hoch eingeschätzt, werden zu große Mengen an den Lieferanten weitergeleitet.

Wie lässt sich der Bullwhip-Effekt vermeiden?

Die beste Lösung ist Informationstransparenz. Sind die Plan- und Bestellzahlen des Einzelhändlers für alle Stufen der Lieferkette ersichtlich, kann der Hersteller präziser planen und die Nachfrageschwankungen durch falsche Signale entstehen gar nicht erst.

Wenn Sie weitere Anregung zur Vermeidung des Bullwhip-Effekts brauchen, kommen Sie gerne auf uns zu.

Tim Lutz

Tim Lutz

Mein Name ist Tim Lutz und ich bin der Bereichsleiter IT für Produktion und Logistik. Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit Logistiklösungen im SAP Umfeld.

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