Tim Lutz
31. Mai 2023

Make-to-Order-Produktion

Bei der Make-to-Order-Produktion handelt es sich um eine strategische Vorgehensweise von Unternehmen, bei der Produkte erst nach Kundenauftrag hergestellt werden. Übersetzt heißt das so viel wie "auf Bestellung anfertigen". Einige Quellen sprechen von der Build-to-Order-Produktion ("auf Bestellung bauen"), prinzipiell gibt es aber keinen Unterschied zwischen den beiden Bezeichnungen.

Funktionsweise der Make-to-Order-Produktion

Die Make-to-Order-Produktion (abgekürzt MTO) ist eine Produktionsstrategie von Unternehmen und ist auch als Build-to-Order-Produktion (BTO) bekannt. Im Gegensatz zur Lagerfertigung, auch Make-to-Stock-Produktion (MTS) genannt, wird bei dieser Strategie das Produkt erst hergestellt, nachdem es vom Kunden bestellt wurde. Es handelt sich also um eine sogenannte Auftragsfertigung. Somit lässt sich ein höheres Level an Personalisierung erreichen, da das Produkt direkt nach Wunsch des Kunden produziert wird.

Die Komponenten für das Produkt bleiben dabei so lange beim Lieferanten des Unternehmens, bis sie nach Bestellung des Kunden benötigt werden. Um eine reibungsfreie Koordination zwischen Unternehmen und Lieferant zu gewährleisten, werden ständig Prognosen über die Nachfrage ausgetauscht. So kann der Lieferant benötigte Ressourcen planen und diese möglichst schnell bereitstellen. Dabei unterscheidet man zwischen drei Lager- und Produktionstypen:

Auslieferungslager

Viele Lieferanten arbeiten mit einem Auslieferungslager, aus dem Teile schnell geliefert werden können. Konkret erfolgt die Bestellung des Kunden an den Unternehmer, dieser bestellt benötigte Ressourcen beim Lieferanten, welcher diese dann in kurzer Zeit zukommen lassen kann. Oft erfolgt die Lieferung an den Unternehmer schon innerhalb der ersten Stunde nach der Bestellung. Natürlich entstehen so Lagerkosten, weshalb eine gute Planung und Absprache essenziell ist.

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Just-in-Time-Produktion

Die Just-in-Time-Produktion (JIT), auf deutsch “gerade zur rechten Zeit”, wird auch als bedarfssynchrone Produktion bezeichnet. Es handelt sich um ein logistikorientiertes, dezentrales Organisations- und Steuerungskonzept, bei dem nur jenes Material produziert und danach geliefert wird, welches vom Kunden nachgefragt wird. Das bedeutet, dass kein Auslieferungslager mehr vorhanden sein muss, jedoch eine enge Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Unternehmer nötig ist.

Just-in-Sequence-Produktion

Die Weiterentwicklung der JIT-Produktion ist die Just-in-Sequence-Produktion (JIS), auch “reihenfolgesynchrone Produktion” bezeichnet. Besonders häufig dient dieses Konzept zur bestandslosen Beschaffungslogistik und Produktionsplanung in der Automobilindustrie, um im Zuge der fortschreitenden Produktdifferenzierung jedes Fahrzeug individuell konfigurieren zu können.

Anders als bei der JIT-Produktion spielt bei der JIS-Produktion auch die Reihenfolge eine Rolle. Teile werden nämlich genau in jener Sequenz produziert und geliefert, in der sie bei der Fertigstellung des Endprodukts gebraucht werden. Auch hier ist kein Auslieferungslager notwendig.

Supply Chain Management in der Make-to-Order-Produktion

Supply Chain ist die englische Bezeichnung für Lieferkette. Im Supply Chain Management geht es um den Wertschöpfungsprozess vom Lieferanten bis zum Endverbraucher. Es gibt zwei Varianten, wie man die Supply Chain steuern kann, nämlich mit dem Push-System und dem Pull-System.

Push-System

Beim Push-System löst das Unternehmen die Produktion und Lieferung selbst aus, indem es sich an vergangenen Werten orientiert und die Ware vorausschauend herstellt. Die Lagerfertigung, also die Make-to-Stock-Produktion (MTS), funktioniert nach dem Push-System.

Pull-System

Die Make-to-Order-Produktion geht nach dem Pull-System vor. Bei diesem finden laufend Bestandsprüfungen statt und Produkte werden nach Kundenauftrag gefertigt. Um automatische Nachbestellungen tätigen zu können, erfolgt ein elektronischer Datenaustausch. In gewissen Branchen und bei bestimmten Produkten werden Verkäufe mithilfe von Barcodes und EAN-Codes identifiziert.

Die Nachbestellung wird im Distributionszentrum in die Produktion weitergereicht. Umgeschlagen werden die Produkte anschließend mit dem sogenannten “Cross-docking“. Das heißt, dass die Waren bereits durch den Lieferanten vorkommissioniert werden. Dadurch entfällt die Lagerung, da gelieferte Ressourcen sofort den Warenausgängen zugeordnet werden und direkt weiter versendet werden können. So können niedrige Durchlaufzeiten und geringere Lagerkosten erreicht werden. Zusätzlich zu den Nachfragewerten erstellen Unternehmen laufend Prognosen, um effiziente Informationsflüsse und eine gute Planung sichern zu können.

Kundenauftragsentkopplungsgpunkt

Wenn Produkte, wie in der Praxis häufig vorkommend, in einer Kombination von MTO und MTS hergestellt werden, spricht man vom sogenannten Kundenauftragsentkopplungspunkt.

Das ist der Punkt, an dem die auftragsneutrale Serienfertigung (Push-System) in eine auftragsbezogene Produktion (Pull-System) transformiert wird. In anderen Worten: Bis zum Kundenauftragsentkopplungspunkt wird nach Make-to-Stock produziert, ab dann nach Make-to-Order. Der Entkopplungspunkt findet nicht immer an der gleichen Stelle oder zum selben Zeitpunkt statt, sondern muss für jedes Produkt neu bestimmt werden.

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Make-to-Order-Produktion in der Praxis

In der Praxis ist oft eine Mischung aus Make-to-Order-Produktion und Lagerfertigung zu sehen, weil die Herstellung komplexer Waren lange Fertigungs- und Durchlaufzeiten mit sich bringen kann. Viele Herstellungsprozesse haben weitere Baugruppen und Unterbaugruppen. Wenn man alles nach Make-to-Order erst speziell anfertigen müsste, ist die Wartezeit für den Kunden sehr lang und könnte ihn eventuell sogar von der Bestellung abhalten. Deshalb verwenden Unternehmen oft eine Kombination aus MTO und MTS. Ein gewisser Teil des Produktes ist bereits vorgefertigt, die Details nach dem Kundenauftragsentkopplungspunkt kann der Kunde dann gemäß der Make-to-Order-Produktion selbst konfigurieren.

Innerhalb eines Industriesektors wird häufig produktabhängig differenziert, ob nach MTS, MTO oder mit einer Kombination aus beidem produziert wird. Einige Autos werden zum Beispiel auf Lager produziert, während andere Modelle vom Kunden konfiguriert werden können. So können sowohl Kunden mit speziellen Wünschen als auch jene mit dem Wunsch nach geringeren Wartezeiten zufriedengestellt werden.

Auch im Technologiesektor kommt oft eine Kombination aus MTO und MTS zur Anwendung. PC-Hersteller bieten zum Beispiel immer häufiger Grundmodelle an (“Barebones”), die der potenzielle Käufer im Baukastenprinzip individualisieren kann. Grafikkarte, Prozessor, Speichermöglichkeiten, Laufwerke und Anschlüsse sind dann nach eigenem Wunsch wählbar. In diesem Fall wird das Grundmodell auf Lager gefertigt und der Rest nach der Make-to-Order-Produktion.

Anwendung und Beispiele

Die Make-to-Order-Produktion kann sowohl bei Produkten von kleinen Betrieben als auch bei jenen von großen Unternehmen Sinn machen. Zudem ist auch nicht primär entscheidend, wie teuer das Endprodukt ist. Vielmehr kommt es auf die Wichtigkeit der Personalisierbarkeit an.

Eine kleine Bäckerei zum Beispiel stellt Hochzeitstorten immer nach MTO her, da in diesem Fall der Kundenwunsch am wichtigsten ist. Sie warten mit der Produktion, bis der Kunde auf sie zukommt und seine Vorstellungen äußert. Erst dann wird die Torte gemacht, da sonst Ressourcen verschwendet würden. Vor allem in den Industriezweigen Automobil-, Elektronik- und Möbelindustrie hat sich die Tendenz dahingehend verändert, immer mehr Produkte nach Kundenauftrag zu fertigen. Durch die MTO-Produktion wird verhindert, dass Unternehmen nicht rechtzeitig verkaufte Ware zu billigen Preisen veräußern müssen.

Auch in der Fashion-Industrie wird immer mehr auf die Make-to-Order-Strategie gesetzt, da sich Menschen mit ihrer Mode immer mehr individualisieren und von der Masse abheben wollen. Nike zum Beispiel bietet in seinem Onlineshop schon seit einigen Jahren personalisierbare Sneaker an, wo sich Farben und Muster zu einem kleinen Aufpreis frei wählen lassen. Generell nutzen Unternehmen MTO oftmals, um dem Kunden ein “besonderes” Produkt zu bieten und dafür einen etwas höheren Preis verlangen zu können.

Waren, bei denen die Nachfrage beispielsweise auf Grund des Preises eher gering ist und deshalb nicht auf Masse produziert werden, sind meistens Auftragsprodukte. Dazu zählen Luxusautos, Spezialsoftware, Luxusuhren, Flugzeuge oder Yachten.

Nachteile der Make-to-Order-Produktion

Wie bei jeder unternehmerischen Strategie gibt es hier Schwierigkeiten und Nachteile. Bei der Make-to-Order-Produktion kann es zu langen Lieferzeiten kommen, da fertige Produkte nicht auf Vorrat gelagert werden, sondern extra nach Kundenwunsch produziert werden. Das heißt, dass oftmals Teile oder Materialien erst bestellt werden müssen, um die Ware fertigzustellen. Des Weiteren kann der Unternehmer die passende Bestellmenge schwer feststellen, da sie stark von der Nachfrage abhängt. Dadurch ergeben sich höhere Fix- und Beschaffungskosten.

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Vorteile der Make-to-Order-Produktion

In einigen Industriezweigen wie Automobil-, Elektronik- und Möbelindustrie bietet die Make-to-Order-Produktion einige Vorteile sowohl für Hersteller als auch für den Kunden im Vergleich zur Make-to-Stock-Produktion.

Für Kunden

Kunden bekommen kein Massenprodukt, sondern eine Ware nach ihren individuellen Vorstellungen und Wünschen. Zudem ist es meistens so, dass die verbauten Teile und die verwendete Technologie neuer sind als bei Massenprodukten, da sie speziell für dieses Produkt besorgt werden. Außerdem ermöglicht die Make-to-Order-Produktion durch den ständigen Austausch einen besseren Kontakt zum Hersteller, teilweise auch über Onlinesupport.

Für Hersteller

Auch für Hersteller kann der direkte Kontakt zu den Kunden als Vorteil betrachtet werden, da Klarheit über die schlussendlich benötigten Ressourcen gegeben ist. Von großer Wichtigkeit ist das Entstehen von höherer Wertschöpfung durch die Make-to-Order-Produktion. Dadurch, dass der Kunde direkt beim Hersteller bestellt, wird auf Zwischenhändler verzichtet. Das spart Kosten und trägt zu einem effizienteren Prozess bei. Darüber hinaus entstehen niedrige Lagerkosten, da durch die individuelle Produktion kein Auffüllbestand benötigt wird und dadurch die Ware gar nicht oder nur kurz gelagert werden muss. Außerdem kann schnell auf neue Marktsituationen reagiert werden. Im Gegensatz zur Lagerfertigung bleiben Hersteller auch nicht auf nicht verkaufter Ware, den sogenannten “Ladenhütern”, sitzen. Besser gewappnet sind Hersteller durch MTO auch vor Krisen, in denen die Nachfrage zurückgeht.

Fazit

Die Make-to-Order-Produktion bringt besonders in einer Zeit, in der die Individualisierung der Produkte immer wichtiger wird, enorme Vorteile. Fixe Lagerbestände werden minimiert, wodurch besonders kleine Produktionsstätten von dieser Produktionsart profitieren können. Die Vorteile der MTO-Produktion stehen und fallen jedoch mit der Genauigkeit der Ressourcenplanung. Um so effizient wie möglich zu arbeiten, müssen stets genaue Prognosen für Logistikdienste und Zulieferer erstellt werden.

Meistens wird deshalb eine Mischung aus Make-to-Order-Produktion und Make-to-Stock-Produktion verwendet. Dadurch werden Durchlaufzeiten trotz Individualisierung minimiert und eine höhere Resistenz gegenüber ungeplanten Marktschwankungen erzielt. Prinzipiell gibt es hierbei keinen klaren Sieger, da die Art der Produktion stark vom individuellen Unternehmen und deren Produkten abhängt.

FAQ

Was ist die Make-to-Order-Produktion?

Die Make-to-Order-Produktion ist eine strategische Vorgehensweise von Unternehmen, bei der Unternehmen Produkte erst nach Kundenauftrag herstellen. Sie ermöglicht eine hohe Personalisierung der Produkte.

Was versteht man unter Make-to-Order?

Die Make-to-Order-Produktion ist eine Unternehmensstrategie, bei der Unternehmen Produkte erst auf Bestellung herstellen.

Wie funktioniert die Make-to-Order-Produktion?

Bei der Make-to-Order-Produktion stellen Unternehmen das Produkt erst nach Bestellung des Kunden her. Hier bleiben die Komponenten beim Lieferanten, bis sie das Unternehmen benötigt. Eine enge Zusammenarbeit und Prognoseaustausch zwischen Unternehmen und Lieferant sind wichtig, um die benötigten Ressourcen rechtzeitig bereitzustellen.

Welche Lager- und Produktionstypen gibt es bei der Make-to-Order-Produktion?

Es gibt Auslieferungslager, Just-in-Time-Produktion und Just-in-Sequence-Produktion. Auslieferungslager ermöglichen schnelle Lieferungen, während JIT und JIS eine bedarfssynchrone und reihenfolgesynchrone Produktion ermöglichen, ohne dass das Unternehmen ein Auslieferungslager benötigt.

Wenn Sie weitere Fragen zur Make-to-Order-Produktion haben, dann kommen Sie gerne auf uns zu.

Tim Lutz

Tim Lutz

Mein Name ist Tim Lutz und ich bin der Bereichsleiter IT für Produktion und Logistik. Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit Logistiklösungen im SAP Umfeld.

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