Tim Lutz
30. September 2024

Just-in-sequence-Produktion

Just-in-sequence-Produktion (JIS) ist ein logistisches Konzept, das die reihenfolgesynchrone Produktion zum Ziel hat. Für die Implementierung von Just-in-sequence-Produktion ist es erforderlich, Teile der logistischen Leistungen vom produzierenden Endkunden auf ausgewählte Lieferanten zu verlagern. JIS ist dabei eine Erweiterung der Just-in-time-Produktion und zielt darauf ab, die Lagerbestände des Endverbrauchers zu minimieren sowie die Produktionsfähigkeit sicherzustellen.

Herkunft und Zielsetzung

Just-in-sequence-Produktion ist ein Konzept der Produktionsplanung und -steuerung, das im Automobilbau entwickelt wurde. Ziel war es, eine bestandslose Beschaffungslogistik zu erreichen und der immer stärker ausgeprägten Produktdifferenzierung im Fahrzeugbau Rechnung zu tragen. Mit JIS ist der Endproduzent in der Lage, den Konsumenten eine sehr weitreichende Individualisierung des eigenen Wunschfahrzeuges zu ermöglichen. Obwohl spezifische Bauteile, Baugruppen und Aggregate für das individuell konfigurierte Fahrzeug verbaut werden, können die Automobile dennoch in Fließfertigung und großer Stückzahl produziert werden.

Am besten lässt sich das Prinzip der Just-in-sequence-Produktion mit einer Perlenkette vergleichen, denn die Produktionsplanung legt eine definierte, unveränderbare Fertigungs- bzw. Auftragsreihenfolge fest. Die Umsetzung erfolgt mithilfe der Lieferanten. Die zulässige räumliche Entfernung zwischen dem Lieferanten und dem Endproduzenten ergibt sich dabei in Abhängigkeit von der geforderten Vorlaufzeit: Eine JIS-Strategie ist in der Regel nur dann dauerhaft erfolgreich, wenn die Lieferanten sich in unmittelbarer örtlicher Nähe zur Produktion befinden. Schließlich verzichtet der Endkunde auf eigene Lagerbestände und koppelt seine eigene Produktionsfähigkeit an die Leistung seiner Lieferanten. Häufig sind die Lieferanten als externe Dienstleister sogar auf dem Betriebsgelände des Endkunden ansässig. Die Dienstleister müssen bei Bedarf schnell reagieren können. Daher ist es notwendig, dass sie personell und technisch entsprechend ausgestattet sind.

Unterschiede zwischen Just-in-sequence- und Just-in-time-Produtkion (JIT)

Das Prinzip der Just-in-time-Produktion hat zum Ziel, die Produktionsversorgung zum richtigen Zeitpunkt optimal sicherzustellen. Die richtige Ware muss demnach zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge und Qualität am richtigen Ort sein. Just-in-time kommt heute in vielen Produktions- und Industriebetrieben sowie mancherorts auch im Handel zum Einsatz. Die Zielsetzung von JIT ist, Lagerbestände zu reduzieren und die Produktion synchron zum Bedarf auszuprägen.

Just-in-sequence-Produktion geht hier noch einen entscheidenden Schritt weiter. Zusätzlich zu all den für JIT geltenden Anforderungen werden auch noch unterschiedliche Bauteile für die Montage in der richtigen Reihenfolge (englisch sequence) bereitgestellt. In dem Sinne ist die Just-in-sequence-Produktion eine Erweiterung der Just-in-time-Produktion.

Das Lieferprinzip Just-in-sequence hat vor allem in komplexen Produktionsszenarien signifikante Vorteile, beispielsweise bei der Fließfertigung von Fahrzeugen: Genau auf die Produktionsreihenfolge abgestimmt werden einzelne Bauelemente, wie etwa Außenspiegel oder ganze Baugruppen, wie Kabelbäume oder Getriebe, zeit- und bedarfsgerecht geliefert und unmittelbar verbaut.

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Anwendungsfälle von Just-in-sequence-Produktion

Vor allem die Automotive-Branche nutzt Just-in-sequence-Produktion. Auch im Maschinenbau, bei Werften sowie in der Luft- und Raumfahrt kommt das Logistikkonzept zum Einsatz. Alle genannten Branchen weisen Produktionsprozesse mit hoher Komplexität auf und zeichnen sich in der Produktion durch eine hohe Modell- und Variantenvielfalt aus. So baut man etwa in der Automobilindustrie unterschiedliche Varianten eines Modells – beispielsweise 3-Türer, 5-Türer, Limousine und Coupé in einem Werk. Dabei legt das Aufsetzen der lackierten Karosserie auf das Endmontageband die Reihenfolge der Fahrzeuge im Sinne einer Perlenkette fest.

Beispielsweise kann in der Perlenkette bestimmt sein, dass ein Automobil mit fünf Stoffsitzen in Bauform einer Limousine auf ein Coupé mit zwei Ledersitzen folgt. Just-in-sequence-Produktion ermöglicht, dass der Montagemitarbeiter vor Ort keinen Vorrat an Stoff- und Ledersitzen braucht, was mehr Lagerfläche und weitere Laufwege benötigen würde. Lagerfläche und Laufwege können so minimiert werden.

Für jede einzelne Arbeitsschicht wird dazu im Vorhinein eine detaillierte Produktionsplanung erstellt, die den Lieferanten mit einer definierten Vorlaufzeit übermittelt wird. Die Datenübermittlung erfolgt in der Regel mit einem elektronischen Datenaustauschsystem, kurz EDI (englisch electronic data interchange) und nur wenige Stunden oder Tage vorher. Sequence-Inlining-Systeme übernehmen die operative Steuerung der Prozesse und dienen als Bindeglied zu anderen Systemen für die Transportsteuerung, Materialbedarfsplanung und Montageplanung.

Die Aufgabe des Lieferanten ist, in seinem Lager die richtige und zeitgerechte Kommissionierung sowie den Versand der einzelnen Bauelemente durchzuführen, damit die reihenfolgensynchrone Anlieferung beim Endkunden gewährleistet ist. Das Sequence-Inlining-System ist in der Lage, den Produktionsstart für den Lieferanten zu berechnen, da es jeden spezifischen Zeitbedarf in der Supply Chain kennt und einbezieht.

Vor- und Nachteile von Just-in-sequence-Produktion

Just-in-sequence-Produktion hat mehrere gewichtige Vorteile:

  • Lagerbestände werden vermieden, was die Kapitalbindung verringert und Bestandskosten reduziert. Besonders geeignet ist JIS daher bei sehr hochwertigen Bauteilen, da hohe Kapitalbindungskosten vermieden werden.
  • Der Flächenbedarf der Produktionsstätte ist deutlich geringer, da die Lagerhaltung entfällt. Ganze Module, wie beispielsweise das Türmodul eines Fahrzeuges mit Türrahmen und bereits eingebautem Fenster sowie sperrige Bauteile sind daher potenzielle Kandidaten für JIS.
  • Der Produktionsprozess wird deutlich schlanker ausgeprägt und effizienter gestaltet. Damit ist es möglich, Durchlaufzeiten entscheidend zu senken. Da in der Fertigung ein höherer Automatisierungsgrad erreicht wird, sinken Fehleranfälligkeit und Personalkosten im Produktionsprozess.
  • Mithilfe von JIS kann dem Trend einer zunehmenden Individualisierung des Endproduktes optimal Rechnung getragen werden.
  • Es erfolgt eine direkte Kommunikation zwischen Endproduzenten und Zulieferer mittels Electronic Data Interchange (EDI).

Die Produktionsabläufe zu synchronisieren schafft insbesondere dort, wo Produkte weiterverarbeitet werden sollen, Flexibilität. Voraussetzung dafür ist aber eine sehr enge Verzahnung von Endproduzenten und Lieferanten. Der Fertigungstakt bestimmt maßgeblich die Belieferung. Das ermöglicht, unnötige Kostenpositionen sowie Fehlerquellen wirksam zu eliminieren.

Zusammengefasst sind produzierende Unternehmen durch JIS in der Lage, viel spezifischer auf die veränderlichen Bedürfnisse des Marktes im Sinne weitreichend konfigurierbarer Produkte einzugehen.

Dem stehen folgende Nachteile der Just-in-sequence-Produktion gegenüber:

  • Der Kommunikations- und Abstimmungsbedarf zwischen Lieferanten und Endproduzenten ist deutlich höher als bei anderen Produktionsprozessen.
  • Endproduzent und Lieferanten gehen eine deutlich stärkere gegenseitige Abhängigkeit ein, zudem erhöht sich die Abhängigkeit von interner und externer Technik.
  • In der Produktion gibt es keine Lagerbestände, dadurch ist das Risiko für Ausfälle bzw. Verzögerungen deutlich höher.
  • Falschlieferungen können gegebenenfalls sehr hohe Kosten verursachen.
  • Verzögerungen entlang der Lieferkette, z. B. infolge von Unwettern, können zu Produktionsstillständen führen. Ein Stillstand bei einem großen Autobauer kann hohe Kosten in Millionenhöhe zur Folge haben.
  • Transportmittel wie beispielsweise Lkws sind in der Regel nicht voll ausgelastet, was die Umwelt belastet und höhere Fixkosten pro Stück zur Folge hat. Eine effektive Transportplanung und die Optimierung der Just-in-sequence-Produktion sind konkurrierende Ziele.

Ganz allgemein verschiebt sich mit JIS das Risiko für einen Produktionsstillstand in Richtung des Zulieferers, da dieser für die zeitgemäße Lieferung verantwortlich ist. Dies stellt einen klaren Vorteil für das produzierende Unternehmen und einen deutlichen Nachteil für den Zulieferer dar.

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Voraussetzungen für Just-in-sequence-Produktion

Just-in-sequence-Produktion weist verglichen mit anderen Logistikkonzepten der Produktion einen hohen Komplexitätsgrad auf. Daher eignet sich JIS vor allem für Fertigungslinien von Großserien im Fahrzeugbau sowie stark serialisierte Produktionen, wie dies beispielsweise im Flugzeug- oder Schiffbau der Fall ist.

Kurze Transportwege

Die Ansprüche an die jeweiligen Lieferanten sind dabei hoch, da sie sicherstellen müssen, dass die richtige Ware zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge zum richtigen Ort geliefert wird und dies zusätzlich in der richtigen Reihenfolge.

Lieferverzögerungen haben ihre Ursache oft in externen Effekten, wie beispielsweise in Unfällen oder Unwetterereignissen auf dem Transportweg. Zur Eindämmung dieses Risikos bilden sich um Fahrzeugproduzenten große Industrieparks, in denen die Zulieferer am Produktionsstandort ansässig sind. Extrem kurze und entsprechend gut kontrollierbare Transportwege sind die Folge.

Dauerhafte Nachfrage

JIS stellt sehr hohe Anforderungen an die Lieferanten und den Endproduzenten sowie den Informations- und Datenaustausch zwischen den Beteiligten. In der Regel lohnt sich daher die Implementierung von JIS nur dann, wenn große Mengen möglichst durchgehend produziert werden, also idealerweise eine Fertigung ohne Unterbrechungen in drei Schichten vorliegt. Dafür ist eine dauerhafte Nachfrage, die lediglich geringe Schwankungen aufweist, erforderlich.

Funktionierendes Kommunikationssystem

Im Normalfall muss zwischen Kunden und Lieferanten ein neues Kommunikationssystem aufgebaut werden, um die Anforderungen an die Just-in-sequence-Produktion erfüllen zu können. Dieses neue System muss zudem in bereits bestehende integriert werden.

Das IT-System als Bestandteil des gesamten Kommunikationssystems spielt bei JIS dabei eine besondere und zentrale Rolle:

  • Es ist notwendig, alle erforderlichen Stücklisten, Teile und Produktionsvorgaben permanent und bidirektional zwischen Lieferant und Produktionsunternehmen zu synchronisieren.
  • Der Produzent muss sicherstellen, dass er an den Lieferanten regelmäßig valide, korrekte und vollständige Informationen über die geplanten Produktionsmengen bereitstellt.
  • Der Lieferant muss diese Informationen zeitgerecht in seinem IT-System verarbeiten.

Verantwortlichkeiten der Lieferanten

Um eine Just-in-sequence-Produktion zu ermöglichen, ist es seitens des Lieferanten erforderlich, die Lagerung der benötigten Artikel zu übernehmen. Zudem muss der Lieferant gewährleisten, dass jeder Artikel, egal ob es sich um eine einzelne Schraube oder einen kompletten Motorblock handelt, stets in der erforderlichen Qualität und Menge verfügbar ist und gesichert zum erforderlichen Zeitpunkt geliefert werden kann.

Eine weitere Anforderung an den Lieferanten ist, die ausreichende Verfügbarkeit von Ladungsträgern sicherzustellen. Das ist notwendig, um die Bauteile laut Vorgaben des Endproduzenten bereitstellen zu können. Gerade bei komplexen Bauteilen kann dies sehr anspruchsvoll für den Lieferanten sein. Während Kleinteile wie beispielsweise Verbindungselemente in Kleinladungsträger oder Kartonagen passen, müssen komplette Motorblöcke oder Getriebe in der Regel einzeln angeliefert werden. Es kann jedoch erforderlich sein, dass sämtliche Bauteile zum gleichen Zeitpunkt und zum gleichen Montageort anzuliefern sind.

Aufgrund dieser hohen Anforderungen nutzen daher in der Regel nur sogenannte Tier-1-Zulieferer die Just-in-sequence-Produktion. Diese Zulieferer befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Endproduzenten, arbeiten exklusiv für diesen und verfügen sowohl über einen eigenen Fuhrpark als auch ausreichende Lagerkapazitäten. Indem man eine gut ausgebaute Infrastruktur mit kurzen Be- und Entladezeiten gewährleistet, ist es möglich, das Risiko von Lieferverzögerungen zu minimieren. Die Tier-1-Zulieferer wiederum werden von anderen Lieferanten meist Just-in-time versorgt. Nur in dieser Form lässt sich für den Endproduzenten eine unterbrechungsfreie und dauerhafte Produktion ohne eigene Lagerbestände gewährleisten.

Fazit

Erst durch das Prinzip der Just-in-sequence-Produktion ist es möglich, stark individualisierte Produkte beispielweise im Fahrzeugbau in großer Anzahl, gleichbleibend hoher Qualität und zu wettbewerbsfähigen Preisen zu produzieren. Der Produktionsprozess kann durch JIS schlanker und effektiver ausgeprägt werden, was eine deutliche Kostenreduktion ermöglicht. Flankierende Maßnahmen im Sinne eines Risikomanagements sind erforderlich, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und damit einen Produktionsstillstand zu vermeiden. Nicht jedes Unternehmen kann wegen der fordernden Rahmenbedingungen JIS sinnvoll umsetzen. Das reibungslose Funktionieren der eng verzahnten IT-Systeme von Endproduzenten und Zulieferer für den laufenden elektronischen Datenaustausch ist ein fundamentales Erfolgskriterium für eine erfolgreiche Just-in-sequence-Produktion.

FAQ

Was ist Just-in-Sequence-Produktion (JIS)?

Just-in-Sequence-Produktion ist ein logistisches Konzept, das darauf abzielt, die reihenfolgesynchrone Produktion zu ermöglichen. Es erweitert das Prinzip der Just-in-Time-Produktion, indem es sicherstellt, dass Bauteile in der richtigen Reihenfolge zur Montage geliefert werden.

Warum wurde Just-in-Sequence-Produktion entwickelt?

Das Konzept wurde entwickelt, um die Produktdifferenzierung im Automobilbau zu berücksichtigen und eine bestandslose Beschaffungslogistik zu erreichen. Es ermöglicht eine hohe Individualisierung der Fahrzeuge bei gleichzeitig effizienter Produktion in großen Stückzahlen.

Wie wird die Reihenfolge der Bauteile in der Just-in-Sequence-Produktion festgelegt?

Die Produktionsplanung legt eine definierte, unveränderbare Fertigungsreihenfolge fest, ähnlich einer Perlenkette. Die Lieferanten stellen sicher, dass die Bauteile entsprechend dieser Reihenfolge zeit- und bedarfsgerecht geliefert und unmittelbar verbaut werden.

Wenn Sie weitere Fragen zur Just-in-Sequence-Produktion haben, dann kommen Sie gerne auf uns zu.

Tim Lutz

Tim Lutz

Mein Name ist Tim Lutz und ich bin der Bereichsleiter IT für Produktion und Logistik. Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit Logistiklösungen im SAP Umfeld.

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